Bushido - der Weg des Kriegers
Begriffserklärung
Der Begriff des Bushido bezeichnet den Ehrenkodex und die Verhaltensgesetze, die Lebensphilosphie des japanischen Kriegers, des Samurai. Dieser erreichte in einer Art Lebensschule im Idealfall ein höchstes Maß an geistiger Askese durch Selbstdisziplin, Selbstbeherrschung bis hin zur Selbstaufgabe.
Geformt wurde dieser Verhaltenskodex hauptsächlich durch die drei geistigen Strömungen und Ideen des Shintoismus, Konfuzianismus und Buddhismus in der Form des Zen.
Der Shinto beeinflusste das extrem kriegerische Element, Konfuzianismus überlieferte die Moralvorstellungen und strengen ethischen Prinzipien des Zusammenlebens, die Zen-Lehre zeigte den Weg zur Meisterung des Ichs, den Weg zur eigenen Erleuchtung in der Meditation und zum Erlangen einer unerschütterlichen inneren Ruhe. In der historischen Entwicklung des Bushido, das als Bujutsu (Kriegerhandwerk) seit dem 12. Jahrhundert die japanische Kriegerkaste der Samurai prägte, begann mit der friedlicheren TOKUGAWA – Periode zu Beginn des 17. Jahrhunderts (1603-1868) eine neue Entwicklung: Die Reformierung des Bujutsu durch den starken Einfluß der Zen-Lehre und des Konfuzianismus hin zum Budo und zu einer in erster Linie geistigen Lebensführung der Samurai. Neben praktischen und technischen Aspekten rückten auch die philosophischen Aspekte des Kämpfens in den Mittelpunkt.
Alle drei philosophischen Quellen lenken im Grunde den Menschen zur Erkenntnis seiner selbst und zur Kunst des Lebens hin.
Als die Samurai nach der Meiji- Restauration (1868 bis ca. 1900) ihre Adelsprivilegien verloren und ihre Waffen nicht mehr tragen durften, wurden sie zu normalen Bürgern erklärt, die sich vermehrt den waffenlosen Kampfkünsten zuwandten, wovon besonders das Jiujitsu profitierte.
Erläuterung der Quellen
Shin-to
Weg der Götter (Kami), Urreligion Japans, ab 1871 bis 1945 japanische Staatsreligion – in einer großen Ansammlung über das Lande verteilter Schreine (jinja) werden eine fast unendliche Zahl von Kami verehrt. Da ein Shintoist glaubt, dass Götter die ganze Natur beseelen, werden viele Stellen in der Natur als heilige Stätten angesehen. Der Shinto beeinflusst auch heute noch stark den Alltag der Japaner, bei einer Vielzahl von Anlässen. Auch einfache Alltagshandlungen wie das tägliche Bad oder das Ausziehen der Schuhe beim Eintreten in ein Haus sind Ausdruck dieses Glaubens. Der japanische Nationalsport Sumo-Ringen ging aus einem alten Shinto-Ritual zur Ehre der Kami hervor: Das ausgiebige Streuen von Salz – ihm wird Zauberkraft zugeschrieben – vor einem Kampf soll den Ring reinigen.
Makoto
gilt als eine zentrale Tugend des Kriegers (bushi): Wahrheit, Aufrichtigkeit, Gewissenhaftigkeit.
Makoto beinhaltet die Hingabe, mit welcher der Kampfkunstübende bereit ist, dem Weg des Bushido zu folgen. Makoto entstammt dem Shinto-Brauch des Reinigens des Geistes durch bestimmte Übungen (z. B. Waschen unter einem Wasserfall, Fasten). Makoto hatte ein Samurai, der nicht in eigenem Interesse handelte, der Mut besaß, etwas Falsches wieder in Ordnung zu bringen, oder von unehrlichen Handlungen Abstand nahm (auch bei Konfuzius verankert).
Konfuzius (551 – 479 v. Chr.)
Die höchste Tugend für Konfuzius war Ren: Mitgefühl und Güte. Ren bildet den Kern des rechten Verhaltens der Menschen untereinander und ist eng verknüpft mit Shu (Gegenseitigkeit), und zwar in dem Sinne, dass man andere nach denselben Maßstäben beurteilen soll, die man auch für sich in Anspruch nimmt: „Was du selbst nicht wünscht, das tue auch anderen nicht an.“ „Maß und Mitte bewahren – das ist die höchste Tugend“ „Einen Fehler machen und ihn nicht korrigieren – das erst heißt wirklich einen Fehler machen.“ „Faules Holz kann man nicht schnitzen. Eine Wand aus Kot und Kehricht kann man nicht anstreichen.“ (Konfuzius, Gespräche)
Eine weitere Tugend, die Konfuzius für wesentlich erachtete, war Yi: Rechtschaffenheit.
Darunter verstand er ein moralisch einwandfreies Verhalten in jeder Situation, insbesondere in jenen fünf Beziehungen, von denen man glaubte, die Gesellschaft beruhe darauf: zwischen Herrscher und Untertan, Vater und Sohn, Mann und Frau, älterem und jüngerem Bruder und zwischen Freunden.
Konfuzius wollte, dass die Menschen dem Weg des Himmels folgen, um sich sittlich zu vervollkommnen und zu besseren Menschen und Mitgliedern der Gesellschaft zu werden.
Noch heute prägen konfuzianische Tugenden wie Altruismus, Höflichkeit, Bescheidenheit und Respekt vor dem Alter und seinen Lehrern die chinesische und japanische Gesellschaft.
Zen
Der Begriff Zen leitet sich von dem chinesischen Wort „Ch`an“ her, das die Übertragung des Sanskrit – Wortes Dhyana ist und meditative Versenkungbezeichnet. Zen geht der Legende nach auf den indischen Mönch Bodhidharma (ca. 470-543 n. Chr.) zurück. Nach langen Wanderungen ließ dieser sich im chinesischen Shaolin-Kloster nieder und lehrte neben körperertüchtigenden Bewegungen auch Atemtechniken und Meditationspraktiken, die zur Widerstandskraft und Durchhaltevermögen erziehen und zur geistigen Schulung und Stärkung und zur Erleuchtung führen können.
Zur Erinnerung an ihn werden in Japan heute noch jedes Jahr am Neujahrstag leuchtend rote Bodhidharma-Puppen verkauft. Sie haben keine Beine, da Bodhidharma der Legende nach so lange in Meditation versunken da saß, bis ihm die Beine abfielen.
Meditation im Zen-Buddhismus basiert auf der Vorstellung, dass der Mensch die Fähigkeit habe, aus einer ihm angeborenen Weisheit heraus einen eigenen Weg zur Wahrheit für sich zu finden. Dabei geht es darum, alle Schichten der Ignoranz, des Ego und angenommener Verhaltensweisen abzulegen, die es erschweren, zum eigentlichen Kern des Selbst vorzudringen. Das Zen-Leben entfernt den Übenden nicht von der Welt, sondern lässt ihn mit einer neuen Perspektive und Verantwortung in sie zurückkehren. Im Idealfall wächst die Vorstellung des Einsseins, werden die Isoliertheit des eigenen Ich und anderer Menschen, das Endliche und das Unendliche, Leben und Tod transzendiert, bis der Übende schließlich eine einzigartige Freude am Heute entdeckt, ohne das Morgen zu fürchten. Zen ist also nicht auf das Jenseits gerichtet, sondern Zen bedeutet Mitgefühl.
Und: Das Ziel der Übung im Zen, wie auch in den Kampfkünsten, ist immer, den Anfänger-Geist (shoshin) zu bewahren. Anfängergeist bedeutet, sich frei zu machen von den Zwängen des intellektuellen Wissens und wahres Lernen zuzulassen. Der weiße Karategi ist Symbol für diese Reinheit des Anfängergeistes. Er soll insbesondere Schüler daran erinnern, sich selbst aufs neue immer wieder zu entdecken und zu lernen. Im Anfänger-Geist gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.
Aus den anfänglich tödlichen Kriegskünsten (Bujutsu) entwickelte sich allmählich der Weg des Kriegers (Budo) als lebenserhaltende Kunst mit einer besonderen Geisteshaltung und Grundtugenden.
Zu diesen gehören also im wesentlichen die folgenden acht Prinzipien:
Jin
Universelle Liebe – Entwicklung eines mitfühlenden Verständnisses für andere Menschen und fremdes Leben überhaupt – Wahre Liebe erwächst aus Achtung gegenüber jeglichen Lebens, sie besiegt den persönlichen Egoismus (das Ich) und macht bescheiden und demütig.
Gi
Rechtschaffene Haltung und Aufrichtigkeit – Fähigkeit des Menschen, in jeder Situation die rechte, vor allem ethisch korrekte Entscheidung zu treffen.
Chu
Loyalität und Ehrlichkeit gegenüber seinem Lehrer, Vorgesetzten oder Meister
Ko
Respekt und Sorge für seine Eltern
Rei
Höflichkeit und Anstand, Gruß, Respekt und Dank gegenüber dem anderen – Wahrung einer korrekten Etikette – Achtung vor etwas, das höher ist als man selbst – Entwicklung von Demut – Der wichtige Kampf, den es zu gewinnen gilt, ist der gegen sich selbst.
Chi
Vergrößerung seiner Weisheit durch Lernen und Verbreiterung seines Wissens – „Lernen ohne zu denken- das ist nutzlos. Denken, ohne etwas gelernt zu haben – das ist verderblich.“ (Konfuzius, Gespräche)
Shin
Aufrichtigkeit, Wahrheit und Ehrlichkeit zu allen Zeiten – ehrlicher Blick nach innen, beständiges Suchen nach Wahrheit als grundlegende Geisteshaltung
Tei
Beständige Sorge für die Älteren und Alten und für diejenigen, die in einfachen und bescheidenen Verhältnissen leben und die von niedriger Geburt und Stellung sind
Einblick in die Schriften
Eine Darstellung des Bushido wäre nicht vollständig ohne eine kleinen Einblick in die Schriften des japanischen Zen-Meisters Takuan Soho (1573-1645), der sich über den Zusammenhang zwischen Zen-Geist und Bujutsu auf Anfrage eines bekannten japanischen Schwertmeisters Gedanken machte. Hier einige, aus drei Texten zusammengestellte, Auszüge:
Wohin man den Geist legt:
Wenn einer seinen Geist in die körperlichen Aktionen seines Gegners legt, wird sein Geist von den körperlichen Aktionen seines Gegners gefesselt.
Legt er seinen Geist in das Schwert des Gegners, wird sein Geist von diesem Schwert gefesselt.
Legt er seinen Geist in den Gedanken, dass der Gegner ihn zu treffen beabsichtigt, wird sein Geist von dem Gedanken gefesselt, dass der Gegner ihn zu treffen beabsichtigt.
Legt er seinen Geist in sein eigenes Schwert, wird sein Geist von seinem eigenen Schwert gefesselt.
Legt er seinen Geist in sein eigenes Bestreben, nicht getroffen zu werden, so wird sein Geist von seiner eigenen Absicht, nicht getroffen zu werden, gefesselt.
Legt er seinen Geist in die Haltung des anderen, wird sein Geist von der Haltung des anderen gefesselt.
Dies soll heißen, dass es nichts gibt, worin der Geist verweilen sollte. Worin ich auch immer meinen Geist lege, davon wird mein Aktionsvermögen festgehalten, und ich unterliege meinem Gegner.
Wenn ihr ihn an keine bestimmte Stelle legt, wird er in allen Teilen Eures Körpers sein und ihn ganz und gar durchdringen. Wenn er in Eure Hand gelangt, wird er das Wirken der Hand verwirklichen. Wenn er in Euren Fuß gelangt, wird er das Wirken des Fußes verwirklichen. Der Geist soll im ganzen Körper frei beweglich sein. Das Bestreben, den Geist nicht an einer bestimmten Stelle verweilen zu lassen – das ist die Disziplin. Der rechte Geist ist jener, der nicht an einem Ort verweilt.
Wie ein Ball auf geschwind strömendem Wasser – nichts achten wir mehr als den Geist, der so dahinströmt und nirgends auch nur für einen Augenblick verweilt.
Ein Sprichwort sagt: Wirf einen Ball auf das schnell strömende Wasser, und er wird nirgends Halt machen.
Ein Sprichwort sagt auch: Durchtrenne die Naht zwischen vorher und nachher. Den Geist nicht von vorangegangenen Augenblicken freimachen – das ist schlecht. Man soll mit einem Schlag durchtrennen, was zwischen Vergangenheit und Gegenwärtigem liegt.
Das Wichtige ist, die Naht zwischen vorher und nachher, zwischen jetzt und später zu durchtrennen. Das heißt: den Geist nicht anhalten.
Vermutlich, da ich mich in der Kampfkunst übe, kämpfe ich nicht um Gewinn oder Verlust, kümmere mich nicht um Stärke oder Schwäche, rücke keinen Schritt vor und weiche keinen Schritt zurück. Der Feind sieht mich nicht. Ich sehe den Feind nicht. An einen Ort vordringend, wo Himmel und Erde sich noch nicht geteilt haben, wohin Yin und Yang noch nicht gelangt sind, erziele ich blitzschnell und unausweichlich eine Wirkung.
Abschließend sei der japanische Zen-Meister und Philosoph Suzuki Daisetz Teitara (1869-1966), der den Zen-Buddhismus in den Westen brachte, aus dem wunderbaren und lehrreichen Buch des deutschen Philosophieprofessors Eugen Herrigel (1884-1955), Zen in der Kunst des Bogenschießens, zitiert:
Um wirklich Meister des Bogenschießens zu sein, genügt technische Kenntnis nicht. Die Technik muss überschritten werden, sodass das Können zu einer ´nichtgekonnten Kunst´ wird, die aus dem Unbewussten erwächst.
Auf Eugen Herrigels ungeduldiges Erlernen der Kunst des Bogenschießens in Japan rät ihm sein Meister:
Sie müssen das rechte Warten erlernen – indem Sie loskommen von sich selbst und all das Ihre hinter sich lassen, dass von Ihnen nichts mehr übrig bleibt als das absichtslose Gespanntsein.